Ununbekannte

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Leben 287 – Freitag, 01.08.08

Es gibt Gesichter. Auf denen möchte unser Blick ruhen. Und so setzt er sich immer wieder gerne auf so ein Gesicht. Und so ruhen unsere Augen, bis sie sich ertappt fühlen. Und man ganz schnell wegguckt. Weil, man möchte nur die Augen weiden. Ohne anzumachen. Ohne Verlegenheit zu erzeugen.

Das passiert mir immer wieder in Wartesituationen, bei denen ich länger mit anderen Menschen zusammen bin. Wildfremden. Fremden. Unbekannten. Ein bisschen Ununbekannten.

Im Zug etwa. Oder im Wartezimmer beim Arzt. In der Schlange vor der Supermarktkasse.

Schön ist es zu entdecken, dass andere auch ihre Augen nur spazieren lassen wollen. In den Gesichtern der anderen ruhen lassen. Und bei Enttarnung schnell den Kopf wegdrehen.

Bisweilen ruht der Blick länger im Gegenüber. Und glaubt, sich erwidert fühlen zu dürfen. Und dann entdecken sich mitunter zwei lächelnde Gesichter. Spüren Seelenverwandtschaft.

Um dann doch ihres Weges zu gehen. Mit unausgesprochenen Worten verschlossener Münder.

Ahnend, hoffend, dass man bald wieder einander sehen, blicken wird. Einander unbekannt. Und doch irgendwie ein bisschen ununbekannt.

© Ulf Runge, 2008

8 Kommentare Gib deinen ab

  1. andrea2007 sagt:

    Lieber Ulf, ich kann das so gut nachvollziehen, was Du da so wunderschön schreibst…Gesichter, Menschen, Mimik- das alles ist faszinierend für mich, ich beobachte gern und oft ruht mein Blick auf einem Gesicht – werde ich ertappt, lächle ich oder wenn es ein hübscher Mann ist, schau ich auch mal schnell weg- er soll sich ja nicht „angemacht“ fühlen…:-) Wenn das Lächeln erwidert wird, wird die Welt ein Stückchen heller…
    Lächelnde Grüsse an Dich, um Deine Welt jetzt und hier auch ein bisschen heller zu machen Andrea

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  2. Astraryllis sagt:

    Ein schöner Post. * zurück lächle* Es gefällt mir gut bei Dir. So gut, dass ich Dich gleich mal verlinke und in meine Blogroll aufnehme.

    Liebe Grüße,
    Astraryllis.

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  3. Mamü sagt:

    Lieber Ulf,

    ununbekannt… gefällt mir, ebenso wie deine Beschreibung hierzu.

    Ist es nicht auch so, dass wir in unserer Haltung, unseren Gesten, unserem Gesicht, unseren Augen sehr viel mehr ausdrücken, als wir es je mit Worten könnten? Ich bin immer wieder fasziniert, wenn in Filmen z.B. das Gesicht eines Schauspielers der Szene entsprechend alles ausdrückt, ohne ein einziges Wort zu sagen. Der Zuschauer weiß sofort Bescheid, wie viele Worte wären dagegen nötig gewesen, um das auszudrücken.

    Wir „ertappen“ uns wahrscheinlich alle hin und wieder, wie wir einzelne Menschen einfach anschauen müssen. Andere wiederum nicht. Irgend etwas spricht uns da an, fasziniert uns. Seelenverwandte… ja, vielleicht kennen wir sogar diese Seele aus einem anderen Leben, wer weiß das schon so genau, vielleicht aber fühlen wir einfach etwas in diesem Menschen, das wir von uns selbst kennen.

    Liebe Grüße,
    Martina

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  4. Ulf Runge sagt:

    Liebe Andrea,

    schön, dass es Dir auch so geht.
    Ich glaube, es geht vielen so.
    Danke für Dein (fettes ?) Lächeln.
    Und das mitgeschickte Licht.

    Liebe Grüße,
    Ulf

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  5. Ulf Runge sagt:

    Liebe Astraryllis,

    danke für Dein Lächeln 🙂
    Und fürs spontane Verlinken.
    Habe ich gleich auch mal gemacht.

    Und dass Dein Lieblingssender SWR1 ist,
    finde ich gut.
    Leider BW 😉
    Meiner ist RP 🙂

    Liebe Grüße,
    Ulf

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  6. Ulf Runge sagt:

    Liebe Martina,

    da kann ich (fast) nichts hinzufügen.
    Ja, es hat was von Faszination, wenn wir unseren Blick
    auf anderen Menschen ruhen lassen.

    Es ist erst wenige Monate her,
    dass ich den bedeutungsschweren Satz gehört habe:
    „Jeder Mensch hat eine Aura.“
    Seitdem ich diesen Satz gehört habe,
    muss ich immer wieder darüber nachdenken.

    Liebe Grüße,
    Ulf

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  7. aprikose sagt:

    lieber ulf,

    und wieder so ein grandioser beitrag, der es schafft zu formulieren, was auch ich denke. mein blick geht ebenfalls oft auf wanderschaft und bleibt dabei hängen an den augen anderer. das markanteste an eines menschen äusserlichen ist sein gesicht. hinter jedem antlitz steckt ein leben, hinter jeder falte eine geschichte. und ein lächeln aus tiefstem herz ist unbezahlbar. erlebnisse hinterlassen spuren, positive sowie negative, innerliche und – auch äusserliche.

    jeder mensch hat eine aura, schreibst du. da ist bestimmt etwas dran. vielleicht ist das der grund, weshalb man sich in der nähe gewisser menschen plötzlich wohl fühlt – oder eben nicht. oder warum einem schon beim klang der stimme des anderen das herz schneller schlägt.

    liebe grüsse,
    aprikose

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  8. Ulf Runge sagt:

    Liebe Aprikose,

    das hast Du schön formuliert, dass jede Falte eine Geschichte zu erzählen hat.
    Und so betrachtet sollte niemand glauben, dass face-lifting schöner macht.
    Im Gegenteil: Bedeutsame Spuren des Lebens werden hierdurch ausgelöscht.

    Aura: Das ist noch ein großes Thema für mich, über das ich mehr erfahren
    möchte.

    Liebe Grüße,
    Ulf

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