Sommerstimmig

Leben 913 – Mittwoch, 25.07.12

Sommerstimmig

Prolog. Ich bin ein möglichst pünktlicher Mensch. Was mich (leider zu oft) vom rechtzeitigen Aufbrechen abhält, sind die vielen Dinge, die es auch noch zu tun gäbe. Wodurch ich bisweilen auch schon jene Viertelstunde Unpünktlichkeit anknabbere, die man akademisch nennt. Aber auch das Akademischsein hilft nicht dabei, wenn ein Konzert pünktlich anfängt. Alle guten Erklärungen nützen nichts, wenn man etwas von dem versäumt, was unwiederbringlich entgangen ist. Ende Prolog.

Jetzt aber zu dem wunderbaren „sommerstimmigen“ Konzert der Swinging Voices aus und in Guntersblum, das ich am 29. Juni erleben durfte. Was ist anders bei diesem Chor als bei anderen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, dafür kenne ich zu wenige Chöre. Das ist sozusagen so, als wenn man immer nur das Spiel des FSV Mainz 05 guckt und das Spiel selbst der jeweilig gegnerischen Mannschaft eigentlich total egal ist. (Ist ja auch, oder, wenn die Meenzer spielen?!)

Auch wenn ich keine Vergleichsmöglichkeit habe, so ist für mich doch besonders auffällig: Das Leuchten in den Augen, das Lächeln in den Gesichtern, die hohe Konzentration und die empathische Gestik. Ach ja, und richtig richtig gut klingt es auch…

Die Musik ist ganz nach meinem Geschmack, aus ganz vielen Stilrichtungen echte Sahnehäubchen. Unterhaltsam und kurzweilig, ein Konzert zum Sichvergessen.

Versäumt habe ich leider (siehe Prolog) die folgenden Songs, und ich könnte mich in den Hintern beißen, da hier insbesondere ein ehemaliger Arbeitskollege von mir sein Solo hatte. Er wird es mir (aber nur dieses Mal) verzeihen, hoffe ich.

Gerne gehört hätte ich „You are the sunshine of my life“ von Stevie Wonder, von dem ich immer wieder verzaubert bin. (Und Du darfst „dem“ gerne auf diesen Song als auch auf Stevie beziehen.)

Gerne gehört hätte ich auch das wundervoll verträumte „Close to you“ der Carpenters.

Hm, es geht so weiter. Auch die ohrwurmige Titelmusik zum Film „Black Orpheus“ (Manha de Carnaval, hier vom Ron Carter Sextett) blieb von meinen Ohren ungehört…

Ich schließe meinen Reigen des Bedauerns mit dem fetzigen „Twist and shout“ von den Beatles.

Und dann war ich dann doch irgendwann da, und seltsame, für mich neue Klänge begrüßten mich zum Sommerkonzert. Ein afrikanisches Lied, wow, toll: Shosholoza.

Ebenso neu für meine Ohren war „His banner over me“ von Lori Freedman. Chormusik, bei der die geballte Energie des „Klangkörpers“ die Umgebung einfach nur ansteckt und anzündet.

Dank der mir zur Verfügung gestellten Setlist weiß ich, dass der nächste Titel „Kids“ hieß. Es ist meinem Aufenthalt am Getränkestand geschuldet, dass ich nicht mehr zusammen bekomme, welcher der real existierenden Kids-Songs es denn nun war. Erika wird es mir bestimmt noch mitteilen…

Ein Song, der den Swinging Voices geradezu auf den Leib geschneidert ist, ist Bill Withers‘ „Lean on me“, weil hier wunderbar die Vielstimmigkeit des Chores erlebt wird. Schwelg.

Und dann freue ich mich diebisch, dass ich an diesem Abend doch noch einen Stevie Wonder Song erleben darf: “Sir Duke“ (Dieses Video ist ein Leckerbissen!).

Und als Ansporn für die Swinging Voices, doch auch mal in Youtube präsent zu sein (ich weiß, da gibt es Copyright-Fragen, auf die andere möglicherweise lockere Antworten haben…), hier eine Chorversion des nächsten Songs: „Scat Calypso“.

Achtung, wir wechseln die Sprache, ab jetzt ertönen zu den hörenswerten Melodien auch noch lauschenswerte, deutschsprachige Texte. „Drück die 1“ von Annett Louisan macht den Anfang. Beim babbab babbab bab dada bab grinst und lächelt der ganze Chor auf allen Gesichtern.

Und ewig das Gestöhne, wann es endlich wieder Sommer wird. Nein, nicht die Frage von Rudi Carrell steht auf dem Notenblatt, sondern die Antwort, die die Wise Guys hierauf geben: Jetzt ist Sommer.

Pause. Die Zeit ist höchst unterhaltsam verflogen, ich freue mich, dass ich hier sein darf, freue mich auf die noch kommenden Lieder.

Ich nutze die Zeit, Erika und meinen ehemaligen Arbeitskollegen zu begrüßen und ein paar liebe Worte zu wechseln.

Danach bin ich etwas überrascht, dass es wohl Uneinigkeit bei den Chormitgliedern gibt, wer denn jetzt wo und als Erster auf die Bühne gehen soll. Und so bleiben sie alle vor der Bühne stehen, wie in einer riesigen Supermarktwarteschlange. Dass sie eigentlich den Rhein von Worms bis Bingen darstellen, wird mir erst am Ende ihres Rheinhessen-Stop klar, in dem lauter rheinhessische Städtenamen runter gerappt werden…
Ich meine, so etwas von Fanta4 oder den Rodgau Monotones in ähnlicher Weise auch schon mal gehört zu haben…

Die Deutschtextabteilung wird geschlossen mit einem wunderschönen Lied, das uns Xavier Naidoo geschenkt hat: „Und wenn ein Lied“ . Der inoffizielle Song zur Fußball-WM 2006.

Wir werden wieder internationaler und gehen auch auf der Zeitachse weiter zurück. Eines der schönsten Geschenke, die Ray Charles uns gemacht hat, wird mit eiskaltem Rückenschauerfeeling von den Swinging Voices vorgetragen. Als wären sie ein Gospelchor aus Harlem. „Georgia on my mind“.

Bei der Anmoderation zum nächsten Titel treffen sich Erikas und mein Blick und wir müssen (leise) lachen. Nein, nicht der 2 Uhr Bus steht jetzt auf der Titelliste, sondern „Just the two of us“, erneut Bill Withers. Warum Erika und ich lachen mussten? Hier…

Something stupid von Nancy und Frank Sinatra steht als nächstes auf dem Programm, Erinnerungen an die 60er und 70er Jahre kommen hoch. Und einige Paare aus dem Chor verlassen die Bühne und tanzen durch das Publikum. Schöne Idee. Bezaubernde Umsetzung.

Und dann wird ein Titel, den ich sehr mag, im Original seinerzeit gesungen von jungen Künstlern, deren Megakarriere damals noch niemand so richtig ahnen konnte, die singende Familie Jackson, bekannt unter dem Namen Jackson 5: „I’ll be there“. Die Swinging Voices schaffen es ein weiteres Mal, Rückenschau(d)er(n) zu verursachen.

Dibadada! So müsste dieser Song eigentlich heißen. Statt dessen kommt mir der Titel spanisch vor: „Aqua de beber“, hier mit Astrud Gilberto.

Es gibt einen Ohrwurm aus den Carmina Burana. Die ja höchstanspruchsvolle Klassikkunst darstellen. Um dann doch eines Tages in der Werbung für Schokolade oder Kaffee zu landen. Schockiert war ich damals allerdings, als ich im Radio hörte habe, dass man jetzt diese Carmina Burana auf CD kaufen könne, „bekannt aus der SchokoladeKaffeeWasauchimmer Werbung“!

Ich hoffe, Du kennst das nachstehende Lied nicht aus der Opel-Werbung. Sondern weißt, dass das Original von dem überragenden Satchmo Louis Armstrong gesungen wurde: „What a wonderful world“.

Ein Swing-Klassiker, der bei den Swinging Voices nicht fehlen darf, ist „Route 66“, hier von Nat King Cole. Da steppt der Bär auf der Bühne, klasse interpretiert von den S.V.

Wer musiziert, kann sich bei seinem Publikum mit keinem schöneren Song bedanken, als es seinerzeit ABBA taten und heute Abend die Swinging Voices: “Thank you for the music”.

Tuxedo Junction. Glenn Miller. Swing. Instrumental. Es geht aber auch anders. Duuba duuba duba dabb. Wenn ich die Duba-Bank gründen würde, dann wär das MEIN WERBESONG. Die Swinging Voices haben das klasse interpretiert, so kurz vorm Ende noch mal richtig Adrenalin pur. Hier bekommst Du einen annäherungsweisen Eindruck, wie sich dieser Song gesungen anfühlt: Tuxedo Junction von Adira Hanna & HHW Vocal Arts Ensemble.

Thank you, merci und danke, liebe Swinging Voices, bis zum nächsten Mal. Nach dem Konzert ist vor dem Konzert.

Hm, das wärs dann gewesen.

Wenn ich nicht auch noch persönlich Bekanntschaft gemacht hätte mit der Rheinhessischen Weinkönigin Helgard Frey.
Hinweis: Hoffest am 03.08.12 in Guntersblum. Da kann man sie persönlich kennen lernen.

Was für ein Abend…

© Ulf Runge, 2012

10 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hase sagt:

    Lieber Ulf,

    mir fehlen die Worte ! Was für ein toller Bericht. DANKE danke !
    Es hat mich und den Chor gefreut, dass Du Dir erneut ein Konzert von uns angeschaut hast.
    Es war ein wunderschöner Abend mit tollen Gästen und einer Superstimmung. Es hat Spaß gemacht . Und Dein Bericht ist ja die Krönung….. Danke für Deine Mühe und Deine Hilfsbereitschaft an diesem Abend (schunzel 😉 )
    WOW , Du hast Talent, auch wenn Du nicht mitsingst, Du bringst das Konzert noch einmal zum Schwingen….
    ganz ♥ liche
    liebe Grüße
    Erika 🙂

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  2. Hase sagt:

    P.S. : das haben wir auch gesungen…

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  3. Pingback: Eigentlich stimmig
  4. Elisabeth sagt:

    Lieber Ulf,

    wow, was für ein wundervoller Bericht, 1000 Dank! So, als ob ich mit dabei gewesen wäre, so fühl´ ich mich! So schöne Bilder, so schöne Beschreibungen, ich höre die Lieder, sehe unsere Erika, und auch dich, einfach nur große Freude!

    Herzliche Sonnengrüße zudir,
    Elisabeth

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  5. Ulf Runge sagt:

    Liebe Erika,
    nein, das Sahnehäubchen, das sind Eure Disziplin, Gesangesfreude, Vielfalt und Musizierkunst. Ich habe Freude daran, Euch ein klein wenig als „Chronist“ begleiten zu dürfen.
    Schön, dass das Konzert noch einmal lebendig wird für Dich.
    Danke auch für den Hinweis auf die „richtigen“ Kids.
    Liebe Grüße,
    Ulf

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  6. Ulf Runge sagt:

    Liebe Elisabeth,
    ich freue mich, dass Du das Konzert auf diese Weise nachempfinden kannst…
    Liebe Grüße,
    Ulf

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  7. babsib1979 sagt:

    lieber ulf
    woooow kann ich da nur sagen.so, als ob wir mittendrin wären. ich hatte jetzt beim lesen fast vergessen, dass ich daheim in wien sitze.mir klingen diese lieder richtig im ohr.
    danke für deinen farbenfrohen und lebendigen bericht
    danke für diese tollen fotos. unsere erika..*lächel+
    einfach DANKE
    singende grüße von babsi

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  8. Ulf Runge sagt:

    liebe babsi, auch dir danke für deinen lieben kommentar. ich freue mich, dass dieses konzert DACH-weit nachempfunden wird… DACH? lächel Deutschland Austria Confoederatio Helvetica – Andrea ist ja jetzt in Ddf, vielleicht kommt noch ein Kommentar aus der Schweiz vom lieben Zentao. Grins.
    Liebe Grüße,
    Ulf

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  9. Suse sagt:

    als ehemalige Chorsängerin eines Jazz-Pop-Rock-und-Gospel-Chores geht mir gerade das Herz auf!
    Ein phänomenaler Bericht über einen scheinbar phänomenalen Chor!
    Ein ganz herzlicher Gruß aus Ostwestfalen-Lippe,
    von Suse (die jetzt singend zur Arbeit fährt) 🙂

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  10. Ulf Runge sagt:

    Liebe Suse,
    das freut mich, wenn ich Dir einen fröhlichen Morgen bereitet habe…
    Ehemalig? Vielleicht magst Du das ja wieder ändern.
    Liebe Grüße nach OWL,
    Ulf

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