Tomgångskörning

Leben 603 – Donnerstag, 29.07.10

Noch mehr Weideröschen
Noch mehr Weideröschen

Schwedisch ist eine sehr schöne Sprache. Ich höre sie gerne, auch wenn ich fast nichts verstehe. Das Sprechen reduziert sich im Wesentlichen auf Danke, Bitte und die Hej-Familie.

Zum Glück, Hollywood sei dank, laufen die meisten Filme im schwedischen Fernsehen nicht sprachsynchronisiert, so dass die Schweden, jung wie alt, sich sehr gut auf Englisch verständigen können. So kommt man also gut durch hier. Bisweilen sogar mit deutschen Begriffen, weil die Sprachen –insbesondere gesprochen – ihre Verwandtschaft nicht verleugnen können.

Es macht sicherlich auch Spaß, sich mit der schwedischen Grammatik näher auseinanderzusetzen, etwa, um über das Utrum zu reflektieren. Das Nicht-NeUtrum.

Wie oft stolpere ich beim Verfassen über die Wahlmöglichkeit, meinen „Lesern“ oder „Leserinnen und Lesern“ oder „LeserInnen“ oder last but not least (das war Englisch, würde die Maus sagen) „Leserinnen“ zu schreiben. Da haben es die Schweden, zumindest bei einigen Wörtern, leichter als wir, indem diese Begriffe Utrum-geschlechtig sind. Es meint nämlich beide Geschlechter.

In ähnlicher Weise kennen wir ja von Textilien her den Begriff „unisex“. Utrum ist sozusagen „duosex“. („Bisex“ wäre mir auch noch eingefallen, ist aber bekanntermaßen bereits anderweitig belegt.)

Bleiben wir in Schweden. Da wir mit der Weltsprache Englisch gut durchkommen, bleibt etwa der Straßenverkehr, um sich der Landessprache anzunähern.

Mein diesjähriges Lieblingswort ist „Tomgångskörning“, ungefähr „Tummgongsdschöhrning“ ausgesprochen. Tom heißt leer, gång bedeutet Gang und körning steht für fahren. So dass hiermit das (winterzeitliche) Motor-im-Leerlauf-Warmlaufen-Lassen gemeint ist, das wiederum in vielen Orten auf eine Minute begrenzt ist.

Ich kann es nicht lassen, gehen wir zu den kulinarischen Genüssen über.

Ostkaka etwa ist beileibe kein Exkrement eines Babys, das in Ostschweden gewickelt wird. Vielmehr tun die Schweden „kaka“ „baka“, und mit dem richtigen Quark vermischt wird daraus ein unwiderstehlicher Käsekuchen. Der bekannteste ist der Frödinge Ostkaka.

Bei meinen heiß und innig geliebten „Nöt och bär“, Nüssen und Beeren von OLW, und das heißt nun absolut nicht Ostlippe-Westfalen, sondern ist der Name der Firma, die sich weiterhin weigert, mit ihren Produkten den deutschen Markt zu erschließen, also bei meiner Lieblingsnascherei gibt es etwas ganz Praktisches: „återförslutningsbar“ steht hinten drauf. Åter steht für wieder („välkommen åter“ etwa bedeutet „bis hoffentlich bald wieder“, steht sehr oft am Ortsausgang), försluta bedeutet verschließen und bar ist eine Endung, die im Schweden wie im Deutschen gleichartig verwendet wird, etwa bei „unkaputt-bar“. Die Verpackung meiner Nüsse und Beeren ist also wiederverschließbar. (Wobei, bei mir bräuchten die gar nicht wiederverschließbar zu sein.)

Zwei noch: Mit einem Schmunzeln geht mir immer das klangvolle Wort „jämförpris“ über die Lippen. Zu lesen im Supermarkt auf fast allen Artikeln. Jämförelse = Vergleich, pris = Preis, jämförpris = Vergleichspreis.

Dass die Wortbildung im Schwedischen bisweilen identisch ist mit der deutschen, möchte ich zum Schluss noch mit dem Apotherfachsprachenwort „kosttillskott“ verdeutlichen. Wird ungefähr „kuss-till-schutt“ gesprochen. Kost bedeutet Kosten, till steht für zu, und skott ist der Schuss. Und zusammen also: Kosten-zu-schuss.

Da gehe ich dann doch lieber in die Kackelstugan, einem Bildungszentrum auf Öland, dessen Name von kackla, gackern, und stugar, Stube, herrührt.

Välkommen åter!

P.S.: In Schweden wird der Ölpreis nicht von der OPEC bestimmt. Sondern von den Brauereien. So genehmige ich mir jetzt noch ein Öl, ein alkoholprozentig leichtgewichtiges Bier mit dem Namen Pripps Blå.

© Ulf Runge, 2010

15 Kommentare Gib deinen ab

  1. andrea2110 sagt:

    Lieber Ulf, vielen lieben Dank für diesen liebevollen, lustigen Ausflug in die Schwedische Sprache, das sieht lustig geschrieben aus und hört sich auch -so wie ich es jetzt für mich ausspreche- auch wirklich lustig an… Schön, wie Du Dich mit der Sprache auseinandersetzt und so sehr Du das tust, bist Du wahrscheinlich doch ganz schön froh, dass alle Englisch können, oder?:-) Eine schöne Zeit noch und ich hab jetzt HUNGER bekommen…:-) Liebe Grüsse Andrea

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    1. Ulf Runge sagt:

      Liebe Andrea,

      bei Appetit muss man sich ja bloß zügeln.
      Hunger dagegen muss gestillt werden. 😀
      Sag mir, wenn Du weitergehende Tipps haben möchtest.

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  2. Erika sagt:

    Lieber Ulf,
    vielen Dank für das wunderschöne Bild und Deine schwedischen Worte, wir singen zur Zeit im Chor ein schwedisches Lied aus dem Film „Wie im Himmel“ in schwedisch, es macht Spaß:
    Gabriellas Sang
    original schwedisch Übersetzung deutsch
    Det är nu som livet är mitt
    Jag har fått en stund här på jorden
    Och min längtan har fört mig hit
    Det jag saknat och det jag fått Jetzt ist mein Leben meins
    Ich habe ein bisschen Zeit bekommen auf der Erde
    Und meine Sehnsucht hat mich hierher gefuehrt
    Das, was ich vermisste und das, was ich bekam

    Det är ändå vägen jag valt
    Min förtröstan långt bortom orden
    Som har visat en liten bit
    Av den himmel jag aldrig nått Es ist dennoch der Weg, den ich wæhlte
    Mein Vertrauen ist weit vom eigentlichen Wort entfernt.
    Es hat mir ein kleines Stueck gezeigt
    Vom Himmel, den ich noch nicht erreichte

    Jag vill känna att jag lever
    All den tid jag har
    Ska jag leva som jag vill
    Jag vill känna att jag lever
    Veta att jag räcker till

    Liebe Grüße von Erika

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    1. Ulf Runge sagt:

      Liebe Erika,

      das ist ja riesig!

      „Wie im Himmel“ kenne ich noch nicht, aber das wird sich nach dem Urlaub ändern.
      Danke für Deine Riesenfleißarbeit, den Text zweisprachig einzutippen.
      Ich bin begeistert.

      Ebenso über den Youtube-Link, bei dem die Lautstärke leider etwas dünn ist.
      Deshalb hier der gleiche Ausschnitt aus dem Film mit etwas mehr Volumen:

      Und dazu noch mit deutschen Untertiteln.
      Wobei die Übersetzung an einer Stelle in der Kritik steht, das kann man in den Kommentaren auf der Youtube-Seite nachlesen.

      Ein bezauberndes Lied.
      Danke für diesen schönen Einwurf!

      Ist es Zufall, dass Ihr Euch für ein schwedisches Lied entschieden habt?
      Wann und wo werdet Ihr es singen?

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  3. Lieber Ulf,
    herrlich dein Schwedisch-Kurs … spontan muss ich an den Koch aus der Sesamstraße denken … smörebröd, smörebröd … tamm, tamm, tamm … und jetzt habe auch ich richtig Hunger … muss wohl am Beitrag liegen …
    Ich hoffe, dein „Pripps Blå“ war lecker, kalt und erfrischend, denn das hast du dir für diesen schönen Artikel wirklich verdient.
    Herzliche Grüße
    die schmunzelnde
    Doris

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    1. Ulf Runge sagt:

      Liebe Doris,

      bist Du sicher, dass es sich bei Dir um Ess-Hunger handelt?
      Oder wie bei Andrea um Fernweh-Hunger?

      Schön, dass auch Dir der Beitrag gefallen hat.

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  4. Erika sagt:

    http://www.swinging-voices.info/index.html

    Lieber Ulf,
    hier der link zu unserer Chorseite, wir singen das Lied , weil es so schön ist , genau wie der Film. Wir singen auch bekannte Lieder aus Musical, auch Gospel und Pop/Jazz. Letztes Jahr hatten wir ein schönes Konzert mit einer Jazz-Band aus Saarbrücken
    Schön, dass Dir das Lied gefällt.
    liebe Grüße
    Erika

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    1. Ulf Runge sagt:

      Liebe Erika,

      danke für den Link. Ihr habt ja ein breit gefächertes Spektrum!
      Dann seid Ihr ja jetzt im Endspurt für Eure Auftritte!
      Hm, da bekomme ich Appetit auf Euer Konzert. 🙂

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  5. Also mir kommen da verwegene Gedanken an „schwedisch für Anfänger“ auf SWR3 🙂
    „Smörebröd“ kam da auch vor. Mir ist noch „Ranze stanze“ in Erinnerung (Bauchnabelpiercing) 😉 und dann gab es ja auch noch die chinesischen Lektionen (um mal das Land zu wechseln): „Kei Ka za le ba“ (Wir nehmen keine Kreditkarten, Sie müssen bar bezahlen). Köstlich, wie Dein Bericht.

    Roland

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    1. Ulf Runge sagt:

      Lieber Roland,

      es freut mich, dass Du Deine SWR3-Schwedischkenntnisse um meine Lektion mit einem Lächeln im Gesicht erweitert hast.

      Bezüglich des Chinesischen möchte ich Dich gerne auf den Historiker und Buchautor Gerhard Raff hinweisen, der in seinem Buch „Herr, schmeiß Hirn ra!“ das Chinäbische als Wurzel sowohl des Chinesischen als auch des Schwäbischen hochwissenschaftlichst entdeckt hat.
      Auf seiner Homepage unter seinem Buchtitel unter Leseprobe „Chinäbisches I“ nachzulesen. Sehr empfehlenswert…

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  6. Erika sagt:

    Lieber Ulf,
    das freut mich aber, wenn Du Appetit bekommst, kannst Du Dir ja vielleicht auch den Genuss gönnen ??? Meine herzliche Einladung hast Du hiermit jedenfalls…..
    liebe Grüße, Erika
    P.S. Michael (wwul) wollte auch schon immer mal zu einem Konzert kommen…..

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    1. Ulf Runge sagt:

      Liebe Erika,

      danke für die Einladung. Hierzu melde ich mich separat bei Dir.

      Liebe Grüße,
      Ulf

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  7. Mo sagt:

    *grummel*

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  8. Ulf Runge sagt:

    grummel?

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