Kurze Kante? Lange Kante!

Leben 136 – Mittwoch, 21.11.07

Ein Referat der Tochter liegt vor. Auf zwei Seiten Papier. Im Querformat.

Das Referat soll morgen an die Mitschülerinnen und Mitschüler ausgeteilt werden. In Papierform. 32 Kopien sind zu erstellen. Ob das die Druckerpatrone überlebt? Okay, es ist noch eine Reservepatrone da, und so oft macht man ja sowas nicht.

Wir haben seit geraumer Zeit ein Wunderwerk der Technik zu Hause. Eine Multifunktionsgerät von hp, das gleichzeitig Fax-Gerät, Scanner, PC-Drucker und Fotokopierer ist.

Leider erzeugt der Drucker schiefe Fotokopien. Homo technicus ulfus braucht gar nicht lange überlegen, da war doch was. Richtig. Als der Druckerdeckel vor einigen Monaten mal aus Versehen zu heftig auf die Glasplatte geknallt war, gab es das gleiche Phänomen. Schiefe Ausdrucke.

Seinerzeit im Internet hp kontaktiert. Die haben sogar aktiv zurück gerufen. Und eine Email zugeschickt, wie man mit Software-Reset und wenn alles nichts hilft mit Hardware-Reset das Problem löst. Und wirklich, das hat damals geholfen. Noch mal auch an dieser Stelle ein Lob an den hp-Service!

Jetzt aber! Der Druck ist schief, also erst mal Software-Reset versuchen. Einen Schritt nach dem anderen durchgeführt. Kein wirklicher Fortschritt erkennbar. Bevor ich mit dem etwas radikaleren Hardware-Reset fortfahre, öffne ich die Klappe und sehe, dass die Vorlage schief auf der Glasplatte liegt. Wie sagt der Deutsche: Garbage in, garbage out.

Okay!

Testkopie gemacht. Gerade. Na also, geht doch.

Und dann mache ich einen kapitalen, unentschuldbaren Fehler. Hätte ich doch nur geschwiegen…

„Wir können Vorder- und Rückseite auf ein Blatt kopieren.“ „Superidee!“ meint meine Frau.

Ich mache mal einen Probedruck. Er wird „kurze Kante“, was ich doof finde, darüber könnte ich mich jedes Mal aufregen in der Firma, wenn mir so was unterkommt.

Kurze Kante? Du hast ein zweiseitiges Dokument, legst es quer vor Dich und musst dann über die linke kurze Kante umblättern, um die Rückseite lesen zu können. Was’n Quatsch!

Lange Kante! Du hast ein zweiseitiges Dokument, legst es quer vor Dich und musst dann über die obere lange Kante umblättern, um die Rückseite lesen zu können. So ist’s fein.

Also, ich halte einen Ausdruck „kurze Kante“ in der Hand, murmel was von „kurze Kante“, und versuche jetzt, mal eine doppelseitige Kopie der Machart „lange Kante“. Mit Erfolg.

„Guck“, sage ich, „da könnte ich mich jedes Mal drüber aufregen, wenn jemand `kurze Kante` kopiert!“ „Bei uns ist das üblich!“ sagt meine Frau. Hm, ich ahne Schlimmes, unsere Tochter soll entscheiden, schließlich ist es ihr Referat, doch sie scheint einen Kurzlehrgang bei Salomo genommen zu haben: „Ist doch egal, wie wir das kopieren, wenn jemand umblättert, dreht er sich das schon hin, dass er es lesen kann!“ Aha! Kluges Kind. Hat ihren Senf dazugegeben. Aber nichts entschieden.

„Okay!“ sage ich, „ich mache `kurze Kante`“. „Warum das denn?“ will meine Frau wissen. „Du hast doch was dagegen!“ „Aber Du findest es gut!“ „Ja, aber Du nicht! Mach doch das, was Du für richtig hältst!“ „Ich mache lieber das, was Du für richtig hältst.“

Das ging dann noch ein paar Augenblicke so weiter. Anstandsweise mache ich eine Kopie „kurze Kante“, bis ich dann sehr deutlich zu verstehen bekomme, dass „lange Kante“ jetzt dann doch angeraten sei, nicht weil besser, sondern weil ich es so wolle. Wollte ich eigentlich jetzt gar nicht mehr, aber egal…

Zum Schluss lagen vor: 33 Kopien, davon 27 doppelseitige, lange Kante, 2 doppelseitige, kurze Kante, und wegen einer Malfunktion des Druckers 4 einseitige, geheftet, lange Kante.

Unsere Tochter bestand noch einmal darauf, dass sie uns sehen wollte, bevor sie das Licht ausmachte, und meine Aussage, sie wolle doch nur wissen, ob wir uns streiten, bejahte sie mit einem Grinsen. Natürlich haben wir uns den ganzen Abend nicht gestritten!

Das Schlusswort meiner Tochter soll auch hier das Ende zieren: „Mann, habt Ihr Sorgen!“

© Ulf Runge, 2007

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8 Kommentare Gib deinen ab

  1. monika sagt:

    Hi Ulf,
    ein solches Geraet hab ich auch im Haus!!!
    Wenn es um Kopien fuer die Klasse meines Sohnes ging, hat er immer nur gesgat, mach Dir keinen Stress, Hauptsache sie koennen lesen was daraufsteht!!!
    Er hatte Recht! Den Mitschuelern war es egal!!!
    Wir Eltern versuchen immer „perfekt“ zu sein!!!
    Schaffen wir nicht!;-))))

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  2. silkandpaper sagt:

    köstlich. technik technik. einmal in 4 jahre eine patrone gewechselt. das war ein stress …. :))))
    gott sei dank „schaut“ mir keiner über die schulter. der hätte was zu lachen….denn als schmierpapierproduzent ginge ich leicht durch 🙂
    liebe grüße MAR

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  3. andrea2007 sagt:

    Lieber Ulf, „wir haben uns den ganzen Abend NICHT gestritten“? Du weisst hoffentlich, das Unterbewusstsein kennt kein NICHT…:-)Na, wird wohl alles wieder ok sein, oder?
    Ich bin ein sehr friedlicher harmonischer Mensch, nur mein Computer schafft es,den Jähzorn in mir hervorzubringen, wenn etwas nicht richtig funktioniert:-)
    einen friedlichen guten-morgen-gruss, andrea

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  4. Ulf Runge sagt:

    Liebe Monika,

    danke für – ich sage mal Du, okay? – Deine Anmerkung.
    Ja, Hauptsache es ist lesbar.

    Ja, wir Erwachsenen.

    Wenngleich. Ich hatte mal einen Kollegen, der mich immer dann auf den Plan rief, wenn ich bereit war, ein bisschen zu pfuschen, etwas nicht ganz fertig zu machen, sozusagen bereit war, eine Hypothek auf die Zukunft einzugehen, weil es einen irgendwann wieder einholt, wenn man die Dinge nicht sauber zu Ende bringt.

    Also, dieser Kollege hat mir immer nur einen Satz zugerufen, wenn ich dabei war, ein bisschen schnell-schnell zu machen. Dann sagte er nur: „Schönheit der Arbeit!“ Um auszudrücken, dass wir es uns selber schulden, die Dinge nicht nur zu machen, sondern sie wirklich gut zu erledigen, sofern es in unserer Kraft steht…

    LG, Ulf

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  5. Ulf Runge sagt:

    Liebe MAR,

    danke für Dein Geständnis. Das mit der einen Patrone in vier Jahren erinnert mich an den „Witz“: „Ich habe mir ein neues Auto kaufen müssen. Der Aschenbecher war voll…“

    LG, Ulf

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  6. Ulf Runge sagt:

    Liebe Andrea,

    natürlich hatten wir – ich formuliere jetzt nur positiv!!! – einander ergänzende Meinungen an diesem Abend.
    Einander ergänzend, das hört sich genauso schön verlogen an wie Industriepark…

    Dein Computer lässt in Dir Jähzorn aufkommen?
    Dann muss es Liebe sein… 😉

    LG, Ulf

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  7. andrea2007 sagt:

    ja, lieber ulf, ich oute mich jetzt und hier, es ist tiefe liebe…:-)
    „einander ergänzend“ hört sich nicht verlogen an für mich, sondern einfach „süss“ (sorry, ich weiss, männer mögen das wort nicht so gern) und rücksichtsvoll…
    lgr andrea

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  8. Ulf Runge sagt:

    Liebe Andrea,

    Dein PC wird Dein coming out sicherlich sehr schätzen und Dir noch ein selbstloser Diener sein… 🙂
    Süss und rücksichtsvoll: *lol*

    Liebe Grüße,
    Ulf

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